Infoblatt PROstitution

» Prostituierte arbeiten nur aus finanzieller Not. Keine Frau tut soetwas freiwillig. Wir müssen die Frauen beschützen. Sie sind Opfer, sie können nicht für sich selbst sprechen. Wir brauchen mehr polizeiliche Kontrollen. Seit der Legalisierung der Prostitution ist alles nur viel schlimmer geworden. Die Polizei hat keine Möglichkeiten, Straftäter zu verfolgen. Ausländerinnen werden gegen ihren Willen über die Grenzen geschafft und zur Prostitution gezwungen. Gewalt und Ausbeutung, Menschenhandel und organisierte Kriminalität sind an der Tagesordnung. Meine Nachbarin kennt eine Frau, die… Und neulich in der EMMA stand, dass… Die Freier sind alle Arschlöcher, die gehören bestraft. Nur ein Verbot kann die Frauen retten. «

Die Mythen und Vorurteile über Prostitution und Prostituierte sind zahlreich. Um sie zu entkräften und zu dekonstruieren, habe ich begonnen, in einem Etherpad Quellen, Zahlen und Fakten zu sammeln [Link], die für jeden Menschen nachprüfbar sind. Auf deren Grundlage, habe ich in einem anderen Pad Infotexte verfaßt [Link]. Das Pad mit den Infotexten ist inzwischen so weit angewachsen, dass es schwer zu navigieren wird. Daher kopiere ich die Artikel nun in mein Blog, wo ich interne Anker setzen kann. Jeder Artikel ist nun durch einen Klick auf den Link in der Gliederung direkt zu erreichen. Dieser Blogeintrag wird ergänzt, sobald neue Artikel fertig werden. Wer Fragen, Kritik, Ergänzungen hat – die Kommentare sind offen.

 

Gliederung

In Vorbereitung sind außerdem Abschnitte zum Schwedischen Modell (Freierkriminalisierung), zu Alternativen zu den aktuellen Regierungsplänen, zum Definitionswirrwarr des Begriffs Prostitution in der deutschen Gesetzgebung, zu Viktimisierung als Legitimation systematischer Diskriminierung Prostituierter und zu Ausländerfeindlichkeit als Motivator für diskriminierende Prostitutionsgesetzgebung.

 

Allgemeines zur Prostitution in Deutschland

Laut Schätzungen des Hurenverbandes Hydra e.V., der sich BMFSJ und Bundesregierung anschließen, gibt es in Deutschland rund 400.000 Prostituierte [Empirische Daten zu Prostitution in Deutschland, BMFSFJ]. Von denen seien ca. 5% – 20% männlich oder nicht-weiblich und 50% – 80% MigrantInnen oder nicht-deutscher Staatsbürgerschaft. Schätzungen anderer Verbände kommen zu anderen Ergebnissen, die z.T. deutlich darunter oder darüber liegen. Die meisten Menschen, die sich mit Zahlen im Erotikgewerbe beschäftigen, sind deshalb der Meinung, dass es besser sei, gar keine Zahlen statt geschätzte Zahlen zu nennen. Denn empirische Daten sind deshalb schwer oder gar nicht zu erheben, weil viele Sexarbeiter dieser Tätigkeit nur nebenbei, gelegentlich oder heimlich nachgehen. In den Statistiken der Polizeien und Beratungsstellen werden lediglich jene Sexarbeiter erfaßt, die in ihrem Job mit Problemen konfrontiert waren. Jene, die von Problemen unbehelligt arbeiten, tauchen in solchen Statistiken nicht auf, da es für sie keinen Grund gibt, sich als Sexarbeiter „zu outen“ und dadurch das Risiko gesellschaftlicher Diskriminierung und Stigmatisierung einzugehen.

Die Sexarbeit hat viele verschiedene Ausprägungen. Neben der Prostitution auf dem Straßenstrich oder im Bordell wird der Sexarbeit in verschiedenen anderen Ausprägungen und an anderen Orten nachgegangen, z.B. in Hotelzimmern, Gewerbewohnungen oder SM-Studios. Dabei handelt es sich bei der bezahlten erotischen Handlung nicht immer um vaginale Penetration, für viele Sexarbeiter spielt der Geschlechtsakt keine oder eine untergeordnete Rolle, z.B. für Masseure, Dominas und Sexualbegleiter. Ob es sich bei ihnen auch um Prostituierte handelt, ist nicht definiert. Die meisten Sexarbeiter gehen diesem Beruf aus freien Stücken nach; einige tun ihren Job aus purer Lust, andere gehen ihm nach, um ihre Existenz zu sichern. Aber gezwungen, mißhandelt und ausgebeutet werden die wenigsten von ihnen. Das die Medienberichterstattung dominierende Bild von Gewalt und Kriminalität in der Prostitution ist ein Zerrbild, das der nächste Abschnitt mit Zahlen und Fakten widerlegt.

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Zuhälterei, Menschenhandel und „Zwangsprostitution“

Die Zahlen der mutmaßlichen Fälle von Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a StGB), Zuhälterei (§ 181a StGB) und Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB) haben seit Einführung des Prostitutionsgesetzes (ProstG) im Januar 2002 kontinuierlich abgenommen. Die Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnete im Jahr 2011 nur noch 65 Fälle von mutmaßlicher Ausbeutung Prostituierter (2006: 103), nur noch 238 Fälle von mutmaßlicher Zuhälterei (2006: 422) und nur noch 636 Fälle mutmaßlichen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (2006: 712) [Polizeiliche Kriminalstatistik 2011, BKA]. Laut Datenbank des Statistischen Bundesamtes betrug die Zahl der verurteilten Straftäter nach § 180a StGB im Jahr 2010 exakt 1 und die Zahl der verurteilten Täter nach § 181a StGB exakt 34 (davon jede 7. weiblich). Die Zahl der verurteilten Täter nach § 232 + § 233a StGB lag 2010 bei 108 (davon jede 7. weiblich) [Bundeslagebild Rotlichtkriminalität, UEGD], wobei es sich oftmals eher um arbeits- oder ausländerrechtliche Probleme als um Zwang, Gewalt oder Verschleppung handelte. Diese Zahlen sind vergleichsweise gering, wenn man davon ausgeht, dass es in Deutschland ca. 400.000 Sexworker gibt. Das heißt, es wird bereits jetzt sehr effektiv gegen die sexuelle Ausbeutung und Ausbeutung der Arbeitskraft von Menschen, die in der Prostitution tätig sind, vorgegangen.

Seit 2000 ist Menschenhandel international einheitlich definiert und wird als ein von „Schleusung“ separates Problem erkannt. Im Februar 2005 folgte Deutschland der EU-Aufforderung, die Gesetzgebung entsprechend anzupassen. Seither ist Menschenhandel keine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung mehr, sondern eine gegen die persönliche Freiheit. Sie beinhaltet § 232 StGB „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ und § 233 StGB „Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft“. Unter § 232 StGB fallen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft, auch Menschen zwischen 18 und 21 Jahren, die neu in die Prostitution eingestiegen sind. Daher ist es möglich, dass ein deutscher Staatsbürger statistisch als „Opfer von Menschenhandel“ geführt wird. Im Jahre 2010 hatten 20% der vom BKA erfaßten, mutmaßlichen „Opfer von Menschenhandel“ deutsche Staatsbürgerschaft [Lagebild Menschenhandel, BKA].

Häufig wird im Zusammenhang mit Menschenhandel auch von „Zwangsprostitution“ gesprochen. Der Begriff ist jedoch einerseits juristisch irreführend (es gibt keinen solchen Straftatbestand), zum anderen spiegelt er nicht die Realität der Betroffenen von Menschenhandel wider. Diese arbeiten entweder gar nicht in der Prostitution, sondern in anderen Berufen, z.B. als Köche oder Zimmermädchen. Oder sie wurden nicht zur Prostitution gezwungen, sondern dazu, unter sklavenähnlichen Bedingungen als Prostituierte zu arbeiten [Frauenhandel in die sexuelle Ausbeutung, Ban-Ying e.V.]. Insofern handelt es sich bei einem großen Teil der sog. „Opfer von Menschenhandel“ tatsächlich um Betroffene von Ausbeutung der Arbeitskraft (sofern man freiwillige Prostitution als Arbeit anerkennt). Ein anderer großer Teil (20%) rekrutiert sich hingegen aus jungen Erwachsenen, die das 21. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Und nur bei einem sehr geringen Teil handelt es sich um Menschen, die tatsächlich von sexueller Gewalt oder dem Zwang, sich zum wirtschaftlichen Vorteil eines Dritten vergewaltigen lassen zu müssen, betroffen sind. Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung eines Menschen (Abschn. 13 StGB) oder Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft (§ 233 StGB) sind aber ohnehin bereits strafbar; ebenso sind Sklaverei und Zwangsarbeit nach §4 EMRK verboten. Es bedarf des Konstruktes der „Zwangsprostitution“ oder der „illegalen Prostitution“ also nicht, um diese Straftaten effektiv zu verfolgen. Die Aspekte der sog. „Begleitkriminalität“ stehen nicht in kausalem Zusammenhang mit dem Angebot entgeltlicher erotischer Handlungen, sondern allenfalls mit der langjährigen Illegalität der Prostitution. Niemand spricht von „Zwangsköchen“ oder „illegalem Reinigungsservice“ und kein Vergewaltiger hört auf, ein Vergewaltiger zu sein, weil er seinem Opfer im Anschluß drei Groschen hingeworfen hat. Der Begriff „Zwangsprostitution“ ist daher ebenso abzulehnen, wie der der „illegalen Prostitution“. Prostitution ist nicht illegal; wer zu entgeltlichem Sex gezwungen wird, prostituiert sich nicht, sondern ist von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung betroffen (§ 177 StGB).

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Maßnahmen zur Bekämpfung von „Zwangsprostitution“

Wie im Abschnitt „Zuhälterei, Menschenhandel und ‚Zwangsprostitution'“ bereits ausgeführt wurde, ist der Begriff „Zwangsprostitution“ abzulehnen. Was damit eigentlich gemeint ist, sind zwei Dinge: a) die sexuelle Ausbeutung von Menschen, die in der Prostitution tätig sind und b) die Ausbeutung der Arbeitskraft von Menschen, die in der Prostitution tätig sind. (Laßt uns also auch davon sprechen und nicht von „Zwangsprostitution“!) Das Erste (a) stellt einen Verstoß gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung dar, das Zweite (b) einen Verstoß gegen das Verbot der Sklaverei. In beiden Fällen handelt es sich um Menschenrecht, also um Rechte, die einem jeden Mensch zustehen – egal wer er ist und egal in welchem Beruf er arbeitet. Mit dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung setzt sich der gesamte Abschnitt 13 des Strafgesetzbuches (§§ 174 – 184g StGB) auseinander. Sklaverei verbietet hingegen § 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Wer eine Prostituierte gegen ihren Willen zum Sex zwingt, der verstößt gegen ihr Menschenrecht auf sexuelle Selbstbestimmung und könnte bspw. auf Grundlage von § 177 StGB „Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung“ belangt werden. Wer eine Prostituierte gegen ihren Willen zur Arbeit zwingt, der verstößt gegen das Verbot der Sklaverei und könnte bspw. auf Grundlage von § 4 EMRK oder § 233 StGB belangt werden. Sonderparagraphen, die die sexuelle Ausbeutung und die Ausbeutung der Arbeitskraft Prostituierter unter Strafe stellen, braucht es deshalb nicht, weil Prostituierte auch Menschen sind. Selbst wenn alle Paragraphen zur Prostitution im StGB ersatzlos gestrichen würden, wären Ausbeutung zum Zwecke der finanziellen Bereicherung und Zwang zu sexuellen Handlungen gegen den eigenen Willen noch immer verboten.

Die Forderung nach „Maßnahmen gegen Zwangsprostitution“ ist also ein populistischer und diskriminierender Gemeinplatz. Was eigentlich gefordert wird, sind Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte (Recht auf sexuelle Selbstbestimung + Verbot der Sklaverei). Diese Rechte werden a) durch gesetzliche Verankerung und b) durch polizeiliche Kontrolle bereits jetzt gut geschützt. Beide Aspekte sind im deutschen Recht bereits fest verankert – und zwar völlig unabhängig davon, ob man Prostitution nun als Arbeit definiert oder als sexuelle Ausbeutung. Das heißt, dass sie auch dann noch greifen, wenn man Prostitution zukünftig als Arbeit definiert. Der Abschnitt „Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten“ zeigt auf, dass polizeiliche Kontrollen bereits jetzt in ausreichendem Maße durchgeführt werden, um sicher zu stellen, dass Menschenrechte auch in der Erotikbranche gewahrt bleiben. Der Abschnitt „Zuhälterei, Menschenhandel und Zwangsprostitution“ zeigt hingegen, dass die Polizei ihre Kontrollen so sorgfältig durchführt, dass die Opfer- und Täterzahlen sehr gering sind und sogar jährlich sinken. Die Forderung nach „Maßnahmen gegen Zwangsprostitution“ oder „gegen illegale Prostitution“ mißachtet den Umstand, dass Kriminalitätsraten bereits jetzt gering sind und dass bereits jetzt hinreichend Gesetze (Menschenrecht/Strafrecht) existieren, um die wenigen Täter dingfest zu machen. Die Menschenrechte Prostituierter sind geschützt und werden es auch dann noch sein, wenn wir Prostitution zukünftig als Arbeit verstehen, weil auch Arbeiter Menschen sind. Was wir hingegen tatsächlich brauchen, sind Maßnahmen zur Verbesserung der Situation ALLER Sexarbeiter. Wir brauchen nicht mehr Rechte gegen Prostitution, sondern wir brauchen mehr Rechte FÜR Sexarbeiter: Only rights can stop the wrongs!

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Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten

Die 3 Paragraphen des Prostitutionsgesetzes (ProstG) von 2001 haben die Sittenwidrigkeit der Prostitution (§ 138 BGB) nicht explizit abgeschafft [Evaluation des ProstG 2007, Bundestag]. Sie erklären lediglich die Rechtskräftigkeit des Geschäfts und erlauben die Ausübung von Prostitution im Sinne eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses.

Im Gegensatz zu allen anderen legalen Berufen wird die Ausübung der Prostitution heute noch überwiegend über das Strafrecht reguliert. Allein 8 Paragraphen im Strafgesetzbuch (StGB) befassen sich mit der Prostitution. Die bekanntesten von ihnen sind § 180a StGB „Ausbeutung von Prostituierten“, § 181a StGB „Zuhälterei“, § 184e StGB „Verbotene Prostitution“ (in Sperrbezirken), § 181f StGB „Jugendgefährdende Prostitution“ (in der Nähe von Kitas/Schulen) und § 232 StGB „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“. Um die Prostitution zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in bestimmten Gegenden zu verbieten, wurde § 297 EGStGB, die Grundlage für Sperrbezirksverordnungen in verschiedenen Städten (z.B. München) und Gemeinden, eingeführt. Die Ausübung der Prostitution in Sperrbezirken ist nicht nur über das Strafgesetzbuch, sondern auch durch das Ordnungswidrigkeitsgesetz verboten (§ 120 OWiG). Damit ist die Jugend nun gleich dreifach vor Prostitution geschützt. Ausländer, die gegen die Vorschriften der „Gewerbeunzucht“ (das meint Prostitution) verstoßen, können ausgewiesen werden (§ 55 AufenthG), selbst wenn sie statistisch als Betroffene von Menschenhandel geführt werden. Diverse Landespolizeigesetze erlauben den jederzeitigen Zutritt zu Wohnungen, die der Prostitution dienen (selbst wenn es sich um Privatwohnungen handelt) und die jederzeitige Identitätsfeststellung von Personen, die sich in einer Prostitutionsstätte aufhalten, z.B. § 21(2) und § 36(4) des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung (ASOG) in Berlin. Beide Möglichkeiten polizeilicher Kontrolle bestehen durch §104 StPO und §26 PolG auch bundesweit.

Davon macht die Polizei auch regen Gebrauch. Laut einer Datenerhebung von Dona Carmen e.V. [Razzien-Spiegel, Dona Carmen e.V.] wurden zwischen 2000 und 2008 296 Großrazzien in Prostitutionsstätten durchgeführt. Rund 28.000 Ermittler kontrollierten dabei fast 4000 Etablissements und rund 20.000 Personen. Die Zahl der kontrollierten Objekte hat sich seit Einführuung des Prostitutionsgesetzes vervierfacht, die Zahl der kontrollierten Personen verfünffacht [Artikel über Polizei-Razzien, Dona Carmen e.V.]. Von einer mangelnden Kontrolldichte, einer Dringlichkeit zur Schärferen Regulierung von Prostitutionsstätten oder der Notwendigkeit zu neuartigen Maßnahmen zur Bekämpfung der „illegalen Prostitution“ kann in Anbetracht der Gesetzeslage, der sinkenden Zahlen von Begleitkriminalität und der steigenden Zahlen von Polizeikontrollen in Prostitutionsstätten nicht die Rede sein. Die Verbrechen, die unbedarfte Menschen gerne mit dem Wort „Zwangsprostitution“ beschreiben, wären aber sogar dann illegal/verboten, wenn man sämtliche 17 Paragraphen, die das Wort „Prostitution“ oder „Gewerbeunzucht“ enthalten, in bundesdeutschen Gesetzen streichen würde. Jemanden gegen seinen Willen zur Prostitution zu zwingen, verstößt gegen §4 EMRK (Verbot von Zwangsarbeit) und gegen §177StGB (Verbot von Vergewaltigung/Nötigung). Es wird deutlich, dass Prostitutionstreibende überkontrolliert, überbeschützt und überbehütet werden. Das ist staatlicher Paternalismus, durch den wir Huren bevormundet/entmündigt werden.

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Kondomzwang und Zwangsuntersuchungen (HIV/Aids, STDs)

Mit der Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Januar 2001 wurde auch der sogenannte „Bock-Schein“, die monatliche Zwangsuntersuchung Prostituierter auf Geschlechtskrankheiten abgeschafft. Seitdem setzt die Prävention auf Aufklärung und Eigenverantwortung anstatt auf entwürdigende Untersuchungen und Zwang, der einseitig nur auf Prostituierte ausgerichtet ist. Durch § 19 IfSG sind die Gesundheitsämter nun verpflichtet, anonyme und ggf. kostenlose Beratungen und Untersuchungen zu Geschlechtskrankheiten anzubieten, durchzuführen oder sicher zu stellen und das tun sie auch.

Der Landesregierung Bayern war dies nicht genug. Sie setze sofort nach Inkrafttreten des IfSG in § 6 HygV, ihrer landeseigenen Hygieneverordnung, den Kondomzwang für Prostituierte durch und konotrlliert diesen seither mithilfe verdeckter Ermittler, die sich als Freier ausgeben und nach ungeschützem Verkehr fragen. Gehen Prostituierte darauf ein, müssen sie mit hohen Geldstrafen im fünfstelligen Bereich rechnen, was sie oft in den finanziellen Ruin treibt. Ob dieses Verfahren tatsächlich einem Rückgang von HIV/Aids und Geschlechtskrankheiten unter Prostituierten und deren Freiern bewirkt, bleibt unklar. Die Möglichkeiten, die Gesundheitspolitik durch Kondom- oder Untersuchungszwänge für die Sittenpolitik und ein Prostitutionsverbot durch die Hintertür zu instrumentalisieren, wird aber deutlich.

Es gibt keine zuverlässigen Zahlen dazu, wieviele Prostituierte ungeschützten Verkehr anbieten und warum. Mit der KABP-Studie des Robert-Koch-Instituts zu HIV und Geschlechtskrankheiten unter Prostituierten liegen aber erste Zahlen zu Infizierungsraten vor. Die Forscher des RKI untersuchten dabei rund 9000 Prostituierte in rund 20.000 Tests auf HIV, Syphilis, Chlamydien, Gonorrhö und Trichomonas. Lediglich 3% dieser Test waren positiv [KABPsurvSTI-Studie, Robert-Koch-Institut]. Dieses Ergebnis wirft die Frage auf, ob es sich bei Prostituierten überhaupt um eine Risikogruppe handelt, ob diese öfter als Menschen in anderen Berufsfeldern mit HIV oder Geschlechtskrankheiten infiziert sind. Ob Kondomzwang und Zwangsuntersuchung von Prostituierten überhaupt eine sinnvolle Präventionsmaßnahme darstellen, bleibt unklar. Niemand fordert bspw. eine Kondompflicht für Schwule, obwohl HIV/Aids erwiesenermaßen unter homosexuellen Männern in Deutschland verhältnismäßig stark verbreitet ist [Epidemologisches Bulletin 28/2012, Robert-Koch-Institut], d.h. stärker als unter heterosexuellen Bettgenossen, die die Mehrheit prostitutiver Konstellationen ausmachen. Weiterhin auf die Aufklärung und Eigenverantwortung aller Menschen in allen Berufsfeldern und bei allen sexuellen Spielvarianten zu setzen, erscheint nicht verkehrt.

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Düsseldorfer und Dortmunder Modell

Das sogenannte „Düsseldorfer Verfahren“ ist eine Praxis, die in verschiedenen Städten bereits zur Anwendung kommt. Es handelt sich dabei um ein diskriminierendes und rechtlich dubioses Sonderbesteuerungsverfahren von Prostituierten, das nach Ansicht der Hurenorganisation Dona Carmen e.V. jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt. Prostituierte sollen dabei eine Tagespauschale entrichten, die über Bordell-Betreiber und/oder Steuerfahnder als steuerliche Vorauszahlung später an das Finanzamt abgeführt wird. Dieses Vorgehen widerspricht laut Dona Carmen e.V. dem Steuergeheimnis (§ 30 AO), dem Grundsatz gleichmäßiger Besteuerung (§ 85 AO), dem Umstand, dass Steuerschätzungen nur gegen einzelne Steuerpflichtige und nicht gegen eine ganze Berufsgruppe unternommen werden dürfen (§ 162 AO) und dem Umstand, dass die Steuerfahndung nur bei Vorliegen eines konkreten Verdachts auf eine Steuerstraftat aktiv werden darf (§ 206 AO) [Artikel zum Düsseldorfer Verfahren, Dona Carmen e.V.]. Das „Düsseldorfer Verfahren“ stellt eine ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht, während die Finanzämter auch ohne Sonderbesteuerungsverfahren über ausreichende rechtliche Grundlagen verfügen, um im Prostitutionsgewerbe aktiv zu werden.

Das sogenannte „Dortmunder Modell“ sieht eine gewerberechtliche Regulierung der Prostitution bzw. Prostitutionsstätten vor und wird bereits in diversen Städten angewandt [welche?]. Zunächst muß zwischen dem Akt, der Prostitution selbst, und dem Ort der Berufsausübung, der Prostitutionsstätte unterschieden werden. Für die AnbieterInnen käuflicher Lust erscheint eine gewerberechtliche Regulierung nicht sinnvoll. Die AnbieterInnen wechseln häufig ihre Aufenthaltsorte und müßten sich also jedes Mal beim ortsansässigen Gewerbeamt neu anmelden. Eine gewerberechtliche Regulierung von Prostitutionsstätten erscheint schon schlauer. Allerdings bedarf es einer genauen Definition des Begriffs „Prostitutionsstätte“. Erotische Dienstleistungen werden nicht nur im Bordell, Saunaclub oder Laufhaus angeboten, sondern auch auf der Straße, im Auto, im Wald, auf dem Parkplatz, im (Stunden-)Hotel, in Gewerbe- und sogar in Privatwohnungen. Die gewerbliche Regulierung von Prostitutionsstätten (Anmeldepflicht) sollte nicht mit einer Erlaubnispflicht (Konzession) einhergehen, da hierdurch ein Prostitutionsverbot durch die Hintertür erwirkt werden kann. Abgesehen davon handelt es sich bei dem Ruf nach einer Konzessionierung von Prostitutionsstätten und einer damit einhergehenden Registrierung aller Prostituierten um eine vom BKA und Innenministerien lancierte top-down Forderung mit dem Ziel der Ausweitung der Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten der Polizei [Wer war wann für eine Konzessionierung?, Dona Carmen e.V.][15 Argumente gegen eine Konzessionierung, Dona Carmen e.V.].

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Aktuelle Regulierungspläne der Bundesregierung (Konzessionierung)

Am 11. Feburar 2011 hat der Bundesrat mehrheitlich dem von der Baden-Württembergischen Landesregierung vorgelegten Entschließungspapier zur „Stärkere Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten“ [Drucksache 314/10, Bundesrat] zugestimmt. Der Beschluß sieht folgende Maßnahmen vor:

  1. die Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten (= Konzession)
  2. ummfassende Meldepflichten für Betreiber, Prostituierte und Mitarbeiter
  3. die Kondompflicht
  4. die Ausweitung der Sanktionsmöglichkeiten
  5. die generelle Vermutung abhängiger Beschäftigung bei eingeschränkter Weisungsbefugnis
  6. eine Änderung des Jugendschutzgesetzes
  7. eine Änderung des Bundeszentralregistergesetzes
  8. Wie in den übernächsten Absätzen erläutert wird, stellen diese Maßnahmen einen unverhältnismäßig schweren Eingriff in die bürgerlichen Freiheiten, insbesondere das Recht auf freie Berufsausübung und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, dar. In der Konsequenz bedeuten sie eine Ausweitung der Überwachungs- und Kontrollbefugnisse des Staates/der Polizei gegenüber seinen Bürgern und sind keineswegs Ausdruck der beruflichen Anerkennung und Gleichberechtigung von Prostituierten oder der gesetzlich verbrieften Legalität ihres Berufs.

    Schockierend sind dabei aber nicht nur die Forderungen selbst, sondern auch ihr Zustandekommen. Wie ein PDF des Dona Carmen e.V. aufzeigt [Wer war wann für Konzessionierung?, Dona Carmen e.V.], sind die vom Bundesrat abgenickten Vorschläge zur Ausweitung der ohnehin schon umfangreichen Regulierung der Prostitution ihrem Ursprung nach geschickt lancierte Forderungen der Polizei (insb. des BKA, der LKAs, der GdP, etc.) und der Innenministerien (s. div. Positionspapiere der Innenministerkonferenzen). Die Exekutive wird zum Ideengeber der Legislative und die Gewaltenteilung, auf der unser demokratisches System beruht, dadurch quasi aufgehoben. Dass sich Polizeien aber schon aus Gründen der eigenen Legitimation (und Finanzierung ihrer Abteilungen) stets für die eigene Ermächtigung und eine Ausweitung ihrer Kontrollbefugnisse aussprechen, dürfte nicht weiter verwundern. Insofern wundert es auch nicht, dass im Bundesratsbeschluß selbst stets nebulös von der „zuständigen Behörde“ die Rede ist: Der zuständigen Behörde ist Auskunft zu erteilen, sie erlaubt oder verbietet Bordelle, sie kontrolliert Betreiber und Prostituierte und sie leitet ggf. strafrechtliche Sanktionierungen ein. Während im Bereich anderer, legaler Berufe die Kontrolle aber bspw. durch das Gewerbe-, das Bau- oder das Gesundheitsamt geschieht, ist im Falle der Prostitution die einzige zuständige Behörde die Polizei. In seiner Konsequenz bedeutet also die Umsetzung des Bundesratsbeschlusses eine Ausweitung der polizeilichen Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten, d.h. die Errichtung des Polizeistaates für alle Bürger, die der Sexarbeit nachgehen oder entsprechende Dienste in Anspruch nehmen.

    Diese Tendenz wird insbesondere durch die Punkte 2 (Meldepflichten) und 7 (Änderung d. Bundeszentralregistergesetzes) deutlich. Betreiber von Prostitutionsstätten wären zukünftig verpflichtet der Polzei sämtliche Verträge, sämtliche personenbezogenen Daten, sämtliche Beschäftigungsorte und -zeiten der in ihrem Betrieb tätigen Prostituierten zu melden. Damit die Polizeibeamten zum Zwecke der Konzessionierung Informationen über potentielle Betreiber einholen können, die über die in einem Führungszeugnis erfaßten Daten hinausgehen, muß das Bundeszentralregistergesetz §41(1) geändert werden. Bisher ist den Polizeien ein Zugriff auf diese Daten gesetzlich nicht gestattet. Da der Paragraph des Bundeszentralregistergesetzes aber nicht explizit von Prostituierten und Bordellbetreibern spricht, beträfe eine Änderung vermutlich ALLE Bürger. Bürgerrechtler und Datenschützer sollten auf die Barrikaden gehen.

    Pikant ist auch Punkt 5, die generelle Vermutung abhängiger Beschäftigung bei gleichzeitig bestehender eingeschränkter Weisungsbefugnis der Arbeitgeber, in Kombination mit Punkt 4 (Sanktionen) und Punkt 1 (Erlaubnispflicht/Konzession). Normalerweise ist ein Arbeitgeber seinen Angestellten gegenüber weisungsbefugt; er kann z.B. über die Zeit, den Ort, den Inhalt oder die Art ihrer Arbeit bestimmen und sie generell zur Arbeit anhalten. Im Falle der Prostitution ist das durch §3 ProstG nicht möglich. In der Konsequenz führt das dazu, dass sämtliche Prostituierten selbstständig arbeiten – obwohl ebenfalls durch §3 ProstG eigentlich sozialversicherungspflichtige Anstellungsverhältnisse ermöglicht werden sollten. Das entbehrt nicht einer gewissen Logik: Das unternehmerische Risiko, eine Prostituierte anzustellen und also ihre Sozial-, Renten- und Krankenversicherungsbeiträge sowie ihr festes Gehalt zahlen zu müssen, während sie bei drei-monatigem Kündigungsschutz die Arbeit gänzlich verweigern kann, ist einfach zu hoch. Niemand, der bei Verstand ist, stellt deshalb eine Prostituierte an. Wenn nun aber durch die vom Bundesrat beschlossene Gesetzesänderung generell angenommen wird, dass eine in einem Bordellbetrieb tätige Prostituierte eine Angestellte ist (also nicht selbstständig arbeitet), so MUSS der Betreiber trotz Direktionsverbot Sozialversicherungsbeiträge für sie abführen. Tut er es nicht, kann er wegen Steuerhinterziehung angezeigt werden. Dann greift Punkt 4 (strafrechtliche Sanktionen): Der Betreiber wird angeklagt und verurteilt. Dann greift Punkt 1 (Konzessionierung = Erlaubnispflicht): Dem verurteilten Straftäter wird die Betriebserlaubnis entzogen, das Bordell wird geschlossen und sämtliche, dort tätige SexarbeiterInnen verlieren ihren Arbeitsplatz. Der Maßnahmenkatalog stellt also ein Prostitutionsverbot durch die Hintertür dar und dient ganz offensichtlich nicht dem Zweck, Prostituierte vor Ausbeutung zu bewahren.

    In Anbetracht der geringen Zahlen an Prostituierten, die überhaupt nachweislich ausgebeutet werden (s. Abschnitt „Zuhälterei, Menschenhandel und ‚Zwangsprostitution'“ weiter oben), sind diese, die bürgerlichen Freiheiten radikal einschränkenden Maßnahmen völlig unverhältnismäßig. Über die Sinnlosigkeit der Forderung 3 nach einer Kondompflicht und die Absurdität der Forderung 6 nach verschärftem Jugendschutz wurde ebenfalls weiter oben (s. Abschnitt „Kondomzwang und Zwangsuntersuchungen“, bzw. Abschnitt „Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten“) geschrieben. Weitere Erläuterungen und Bewertungen des Bundesratsbeschlusses zur Konzessionierung und verschärften Reglementierung sogenannter „Prostitutionsstätten“ sind einer Stellungnahme des Dona Carmen e.V. [Artikel zu den Regierungsplänen, Dona Carmen e.V.] zu entnehmen. Offen bleibt letztlich auch die Frage, was eigentlich eine „Prostitutionsstätte“ ist. Orte, an denen Prostitution ausgeübt wird, sind neben klassischen Bordellen z.B. Wohnungen, Autos, Büsche, Wälder, Verrichtungsboxen, Sterne- und Stunden-Hotelzimmer, SM-Studios, Nachtclubs, etc. pp.

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    Emanzipation und Feminismus (Verkauf des Körpers / der Seele)

    Die Forderung nach einem Prostitutionsverbot, ob nun direkt gegen die Huren oder indirekt gegen die Freier, ist keine Forderung, die im Namen des Feminismus geäußert werden sollte. Denn das Verbot der Prostitution würde die Rechte der Frau, über ihren eigenen Körper und ihr eigenes Leben selbst zu bestimmen, und also ein fundamentales Menschenrecht einschränken und schwächen [Artikel zu Feminismus, courtisane.de][Paper on Feminism and Prostitution, Sibyl Schwarzenbach]. Dieses Recht erkämpfen sich Frauen gerade erst und diesem Kampf hat sich der Feminismus verschrieben. Ein generelles Prostitutionsverbot kann nicht damit begründet werden, dass Frauen Opfer von Menschenhandel oder sexueller Ausbeutung würden, wenn Prostitution erlaubt ist. Denn Frauen werden auch Opfer von Menschenhandel oder sexueller Gewalt, wenn sie nicht als Prostituierte tätig sind. Wenn sie aber als Prostituierte tätig sind und Prostitution illegal ist, haben sie keine Möglichkeit, sich im Zweifelsfalls gegen Gewalt und Ausbeutung zur Wehr zu setzen. Denn durch ein Outing gegenüber der Polizei würden sie riskieren, selbst als Kriminelle bestraft zu werden. Daher muß Prostitution legal bleiben. Illegale haben keine Rechte. Für die Illegalität, d.h. die Entrechtung, einer Frau einzutreten, widerspricht dem feministischen Kampf für die Gleichberechtigung der Frau.

    Die Datenerhebungen des BKA und des StBA beweisen zudem, dass die Zahlen der Straftäter und Opfer sog. „Begleitkriminalität“ jährlichen sinken (s.o.) und dass unter den Opfern nicht nur Frauen und unter den Tätern nicht nur Männer sind. Ein Prostitutionsverbot kann auch nicht damit begründet werden, dass einige Frauen die Vorstellung, ihren Körper einem fremden Mann zur eingeschränkten Verfügung zu stellen, beschämend und erniedrigend fänden. Denn andere Frauen empfinden es anders und haben das Recht dazu, eine von der Norm abweichende Sexualität zu entwickeln [Artikel zu Sexismus, courtisane.de]. Die promiskuitive Lebenswirklichkeit einer Hure ist weit von der traditionellen (viktorianischen) Sexualmoral entfernt, nach der eine Frau passiv und lustlos und nur ihrem Ehemann gefügig und Sex lediglich der Fortpflanzung dienlich zu sein hat. Eine Frau, die sich (freiwillig) für die Prostitution entscheidet, sollte für ihre Entscheidung ebensowenig verachtet, diskriminiert und bestraft werden, wie eine Frau, die sich privat aufreizend kleidet, wechselnde Partner und einen aktiven Sexualtrieb hat. Keine von ihnen ist eine „Schlampe“, keine ein Opfer des Patriarchats. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung umfaßt auch das Recht, sich FÜR eine aktive Sexualität zu entscheiden.

    Der Frau sollte darüber hinaus nicht nur das Recht auf eine selbstbestimmte Sexualität, sondern endlich auch die Fähigkeit dazu zugestanden werden. Eine selbstbestimmte Sexualität ist auch einer Prostituierten möglich, sofern der rechtliche Rahmen dafür geschaffen ist, der es ihr im Zweifelsfall erlaubt, sich gegen Ausbeutung und Gewalt zur Wehr zu setzen. Es ist bewiesen (s.o.), dass Prostituierte mehrheitlich keine Opfer sexueller Ausbeutung sind. Die Mehrheit der Prostituierten ist in der Lage, selbst zu bestimmen, in welchem Umfang, in welcher Form sie ihren Körper prostitutiv anbieten will. Sie verkauft nicht ihren Körper oder ihre Seele, sondern lediglich eine Dienstleistung [Zum Warenbegriff, Dona Carmen e.V.]. Wer behauptet, eine Prostituierte verkaufe ihren Körper, objektifiziert Huren und übt damit selbst Diskriminierung aus. Nur eine konsequente Legalisierung der Prostitution ermöglicht es diesen Frauen, im Falle einer Verletzung ihrer Selbstbestimmung, d.h. im Falle sexueller Ausbeutung oder Ausbeutung ihrer Arbeitskraft, rechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Ist Prostitution aber verboten, können sich diese Frauen nicht mehr mithilfe des Rechts gegen solche Grenzüberschreitungen zur Wehr setzen. Die Position der Frauen würde dadurch geschwächt; sie würden schutzlos und das Ausleben ihrer sexuellen Selbstbestimmung würde eingeschränkt. Deshalb muß die konsequente Legalisierung der Prostitution eine feministische Forderung werden.

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    Finanzielle Abhängigkeit und Ausbeutung

    Eine Studie zur Studentenprostitution, die vom Studien-Kolleg der Humbold-Universität Berlin durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die meisten Studenten, die neben dem Studium in der Sexarbeit tätig sind, kein Geld von ihren Eltern bekommen und daher ihr Studium selbst finanzieren müssen. Der Tenor, der in solchen Ergebnissen mitschwingt, ist klar: „Die armen Studenten, jetzt müssen sie sich schon prostituieren, um ihr Studium zu finanzieren!“ Doch kann es in einer kapitalistischen Gesellschaft nicht überraschen, dass Menschen Jobs annehmen, weil sie das Geld brauchen. Es ist vielmehr anzunehmen, dass auch Studenten, die neben dem Studium im Call-Center, bei McDonalds oder der PIN-AG arbeiten, dies tun, weil sie nicht von ihren Eltern finanziert werden. Man kann sogar davon ausgehen, dass der größte Teil der Bevölkerung haupt- oder nebenberuflich als Was-auch-immer arbeitet, weil er notgedrungen irgendwie seinen Lebensunterhalt finanzieren muß. Aber die werden nicht gefragt. Wer immer wieder auf die prekäre finanzielle Situation von Menschen in der Prostitution hinweist, sollte nicht vergessen, wieviele Menschen in anderen Berufen sich in finanziellen Notlagen befinden.

    Wollte man das ändern, könnte man sich generell gegen prekäre Arbeitsverhältnisse, gegen Ausbeutung der Arbeitskraft und für einen Mindestlohn engagieren. Ebenso könnte man ein solches Problem mit einem bedingungslosen Grundeinkommen lösen. Denn wer keine existentielle Not hat, seinen Lebensunterhalt finanzieren zu müssen, der wird sich für eine Arbeit entscheiden können, die ihm neben dem finanziellen Zugewinn auch einen intellektuellen, emotionalen oder körperlichen Zugewinn sichert. Auch dann werden sich Menschen noch immer für die Prostitution entscheiden, weil es auch heute schon Menschen gibt, die der Sexarbeit nicht (primär) aus finanziellen Gründen nachgehen. Manche entscheiden sich auch für die Prostitution, weil sie sich hier weniger ausgebeutet vorkommen, ihre Zeit freier gestalten und dabei besser verdienen können als in anderen Jobs. Zu fragen, wie glücklich oder unglücklich ein Mensch in der Prostitution ist, aber nicht gleichzeitig zu fragen, wie glücklich oder unglücklich ein Mensch im Call-Center, bei McDonalds, in der PIN-AG oder sonstwo ist, stellt eine diskriminierende Selektion dar [Artikel „Othering“, wikipedia]. Die Ergebnisse solch selektiver Umfragen können also kein Argument gegen Prostitution, sondern allenfalls eines gegen unsere kapitalistische Gesellschaftsform sein [Artikel zu Studentenprostitution, courtisane.de].

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