#aufschrei – eine kurze Erläuterung

Ich möchte kurz zwei sexistische Argumente erläutern, die ich heute unter dem Hashtag #aufschrei getwittert hatte. Über beide Tweets ist es möglicherweise aufgrund der Zeichenbegrenzung zu Mißverständnissen gekommen, die ich ausräumen möchte.

„Prostitution? Das kann doch keine Frau freiwillig/gerne tun!“ (Danke, ich bin also keine Frau.) #aufschrei

„Frauen sind von Natur aus sexuell weniger aktiv und wollen nur Sex mit Menschen, die sie auch lieben.“ #aufschrei

Ich hatte beide Aussagen in Anführungszeichen gesetzt, um zu verdeutlichen, dass das nicht meine Gedanken sind. Im Gegenteil, als Prostituierte höre ich diese Phrasen so oder so ähnlich immer wieder. Sie werden als Argument gegen Prostitution (Prohibition / Abolitionismus) oder für die Legitimation staatlicher Bevormundung gegenüber Prostituierten hervorgebracht – meist von Menschen, die selbst weiblichen Geschlechts sind.

Solche Aussagen schmerzen mich, weil sie mir mein „Frau-Sein“ absprechen. Ich gehe der Prostitution aus Spaß an der Freude nach, weil ich gerne sexuell aktiv bin und ich durch die Prostitution eine Möglichkeit habe, anonym (pseudonym) und unverbindlich sexuell aktiv zu sein. Die Prostitution ist also Teil meiner sexuellen Emanzipation als Frau. Sie ist Ausdruck meiner eigenen Gewalt über meinen eigenen Körper, Zeichen meiner sexuellen Selbstbestimmung. (Und ich bin bei weitem nicht die einzige Prostituierte, die es so sieht.)

Wenn nun also Menschen – vorzugsweise Frauen – kommen und mir erklären, dass „echte Frauen von Natur aus“ nicht gerne anonymen Sex haben, wenn sie sagen, dass keine Frau sich je freiwillig prostituieren würde – dann sagen sie damit, a) dass ich keine (echte) Frau bin und b) dass meine Existenz der Natur widerspricht. Sie stellen in Abrede, dass ich eine Frau bin, weil ich Spaß an anonymem Sex habe. Sie grenzen mich aus und diskriminieren mich, weil ich nicht ihrer Vorstellung, ihrem Klischee, ihrem Stereotyp vom „Frau-Sein“ entspreche.

Ja, das ist Sexismus. Ja, das ist Diskriminierung. Und ja, das tut weh.


Ergänzung vom 07.02.13: Wenn ich die oben ausgeführte Argumentation gebracht habe, ist eine andere Form der Diskriminierung der Versuch meines Gegenübers, meinen Standpunkt wie folgt zu relativieren:

„Na gut, du machst das vielleicht freiwillig, aber die Mehrzahl/alle Anderen machen das aus Not. Du bist nicht repräsentativ.

Ich habe auch das Argument der „Not“ schon vielfach entkräftet, z.B. hier. Da sich inzwischen mehr und mehr emanzipierte Sexarbeiter trauen, sich zu outen und für ihre Rechte einzutreten (go colleagues!), kann ich inzwischen auch das Argument der „Einzigartigkeit“ entkräften. Ich bin nicht allein mit meiner Entscheidung FÜR die Prostitution: SexarbeiterInnen in Deutschland zeigen Flagge.


 
 
 

3 Kommentare zu “#aufschrei – eine kurze Erläuterung”

  1. Fuchsiii
    25. Januar 2013 um 20:28

    *pat pat* #flausch :s

    btw das mit dem TuringTest ist ne coole idee ^-^

  2. aayens
    26. Januar 2013 um 02:09

    Ich würde den Damen „my secret Garden“ von Nancy Friday als Lektüre empfehlen. Obwohl es eigentlich für Frauen geschrieben ist fand ich es auch als Mann lehrreich und lässt meine Phantasiewelt als öde dagegen erscheinen.

  3. Drukpa Künleg
    7. Februar 2013 um 22:51

    Da bin ich erleichtert, soetwas zu lesen! Ich muss ehrlich sagen, die ganze Debatte finde ich grauenvoll! Und ich komme mir als Mann vor, als würde ich an die Wand gestellt, zum Abschuss freigegeben! Das ist so scheinheilig, so tief katholisch auf der einen Seite in allem etwas sexistisches zu suchen und auf der anderen Seite den Mann nur noch dumm dastehen zu lassen, weil er nicht mehr weiss, was falsch oder richtig ist! Der Mann steckt ohnehin in einer Krise! Frauen suchen seit 40 Jahren nach mehr Freiheit, Selbstverwirklichung und Anerkennung und kaum ist eine Sexismusdebatte im Gange, denkt Frau der Mann soll sich schnellstmöglich genauso, wie sie selber „emanzipieren!“ Mann weiss nicht mehr was er soll, Softie, Macho, Hausmann, Supermann, Beschützer, Liebhaber…. Mich überfordert das völlig! Wenn es keine Frauen gibt, die auch den Mann unterstützen, seine neue Rolle in der Gesellschaft zu finden, dann braucht es noch 3 Generationen bis sich dieses Geschlechterchaos entwirrt! Ich werde bald 45 J. und habe zum ersten mal eine Beziehung und ich möchte nicht wissen, wie es jungen Männern in der verwirrten Welt der Geschlechter geht!? Das geht alle an, endlich veraltete Denkweisen abzulegen! Im tibetischen Buddhismus wird Sexualität als etwas freudvolles gesehen und die Frau ist die Quelle der Weisheit! Wir sind leider viel zu sehr von einem christlichen Bild von Mann und Frau geprägt, das ist zutiefst rückständig!

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