Tanz der sieben Schleier

„Schatz, kommst du ins Bett?“ Wir haben uns gerade „Irma la Douce“ angesehen, einen Billy Wilder Film. Ein junger Polizist verliebt sich in eine Laufdame und damit sie nicht von anderen Kerlen gebucht wird, verkleidet er sich als ein englischer Lord und führt sie selbst auf’s Hotelzimmer. Mit meinem Freund halte ich das anders. Er weiß immer genau, was ich treibe, denn er ist derjenige, der die Polizei ruft, wenn ich nicht um die vereinbarte Zeit wieder zuhause bin.

„Ich soll schon wieder kommen!?“ Er übertreibt, eigentlich ist er mindestens so nymphoman veranlagt wie ich. Oder wie sagt man bei Männern, satyrenhaft? Jedenfalls nehme ich diesen jungen Satyr bei den Hörnern, schleife ihn ins Schlafzimmer und werfe ihn auf’s Bett. „Los! Ausziehen!“

Er tut, wie ihm geheißen und ich beginne leise, ein paar Takte einer simplen Bluesmelodie zu summen. Ich mieme das Schlagzeug und beginne mit dem Hintern im Rhythmus zu kreisen. Ich fingere mit meinem Hosenknopf und unter wackelnder Hüfte schüttle ich meinen ersten Schleier ab. Ein breites Grinsen ziert das Gesicht mit den zwei großen Augen, die mich begeistert anstarren. Mit nackten Schenkeln tanze ich rüber zu ihm und setze mich rittlinks auf seinen Schoß. Ich fasse ihn an den Schultern und bewege meinen Oberkörper an ihm entlang wie an einer Stange. Wieder auf den Füßen fällt auch schon der zweite Schleier und prall wölben sich meine Brüste über dem engen Mieder. Ein paar filigrane Drehungen hier, geschlängelte Hüften dort, ein gelassenen Bassostinato und Schleier Nummer drei und vier entblößen durch ihre spontane Abwesenheit meine Füßchen.

Die Brüste fest im Griff schreite ich zu meinem Freund. Die Kreationisten hatten Recht! Paßt doch das Gesicht mit seinem Nasensteg und den zwei Augenhöhlen daneben perfekt in die Lücke zwischen linker und rechter Brust. Hätten wir das auch endlich bewiesen, doch genug gekuschelt. Ich lasse mir den BH aufknöpfen, um mich endlich auch des fünften Schleiers zu entledigen. Wer glaubt, nur Korsetts seien zu eng, der irrt. Im Rauschen der Hihats und beim Einsatz der Trompeten wackel ich mit den frisch befreiten Brüsten, die vor Freude springen. Auf den Schleierberg neben dem Bett werfe ich nach langem Zögern im Tanz auch den sechsten Schleier und meinen nun nackten Körper auf meinen der Begattung harrenden Gatten.

„Ab unter die Decke, zum Freiluftvögeln ist es doch schon wieder viel zu kalt!“ Bei den Nachbarn geht das Licht an. (Guter Sex ist, wenn die Nachbarn sich hinterher eine Zigarette anzünden?) Ich werfe mein Haarband in die Ecke und schüttel mein wildes Haupt. Und nun Herodes, her mit dem Kopf des Täufers!


 
 
 

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