Brunello – eine Metapher

Ich konnte mich in meinem Leben nie besonders für Alkohol erwärmen. Während sich meine Schulfreundinnen mit Berentzen Apfellikör die Kante gaben, wunderte ich mich nur, wie sie sich daran berauschen konnten und verzog mich lieber mit einem Buch unter meine Bettdecke. Ich dachte, ich wäre ein hoffnungsloser Fall. Doch irgendwann habe ich angefangen, Rotwein zu trinken, zunächst weil es ein Markenzeichen der Intellektuellen und Künstler ist. Ohne mich Kenner nennen zu können, stellte ich später aber tatsächlich geschmackliche Unterschiede fest und tastete mich voran. Sonderbarerweise entwickelte sich mein Gaumen in Richtung Italien und ich begann, immer eine Flasche italienischen Rotweins zu 5€/Fl für gemütliche Abende in meiner Wohnung zu lagern und so ging das einige Jahre.

Den vorletzten Sommer verbrachte ich dann mit meinem Freund in der Toskana. Eines Abends saßen wir im Hinterhof eines kleinen Restaurants oben auf dem Montepulciano. Wir bestellten Tortelloni und ein Glas Brunello vom Nachbarhügel Montalcino zu 10€/Gl. Ich weiß nicht, ob es am Sonnenuntergang, an der wunderbaren Atmosphäre des italenischen Bergdorfs, an der hervorragenden Gesellschaft oder tatsächlich an der Traube lag, aber es schmeckte herrlich. Es schmeckte besser als alles, was ich jemals an Rotwein getrunken habe.

Seitdem trinke und kaufe ich irgendwie weniger Rotwein. An dem Regal mit den 5€ Flaschen gehe ich vorbei, weil das Rot der Weine irgendwie nicht mehr so rot ist wie früher. Meinen vorletzten Geburtstag feierte ich mit einem 1997 Gran Reserva, La Terraza, Jumilla vom Weingut Señorio del Condestable. Was für ein berauschendes Fest! Ich habe die Flasche aufgehoben, aber ich brauche sie nicht, um mich immer wieder mit Freude an ihren einstigen Inhalt zu erinnern. Es ist schlimm, wie schnell man sich an Luxus gewöhnt!


 
 
 

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