Bundestag berät Gesetzesänderungen

Eigentlich wollte ich heute zum SPD-Entwurf eines Bremischen Prostitutionsstättengesetzes bloggen. Leider ist mir der Bundestag mit seinem „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten“ [BT-Drs. 17/13706] dazwischengekommen. Dazu gab es am 6.6.13 bei der 243. Sitzung des Bundstages unter „TOP ZP 8 Bekämpfung des Menschenhandels“ bereits die erste Lesung [Bundestags-TV]. Die zweite soll am 12.06.13 stattfinden und es heißt, die geplanten Gesetzesänderungen sollen noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen werden.

Angeblich ist wegen der Verschleppung der Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer Eile geboten. Dies trifft aber auf die im selben Entwurf geplanten Änderungen zur gewerberechtlichen Überwachung von Prostitutionsstätten nicht zu. Denn legale Sexarbeit und Menschenhandel sind zwei getrennte Aspekte. Menschenhandel ist ein komplexer Straftatbestand, der EU-weit uneinheitlich und nicht immer zum Vorteil der Betroffenen rechtlich geregelt ist. Diesem Mißstand versucht man mit einer Umsetzung der EU-Richtlinie beizukommen. Prostitution ist dagegen in Deutschland ein legaler Beruf, in dem Menschen arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. (Ja, auch wenn du dir das für dich nicht vorstellen kannst, Menschen tun das freiwillig und haben das Recht dazu.)

Prostitutionsstätten unterliegen bereits jetzt starken Kontrollen durch die Polizei und sonstige Behörden. Paragraph 104 Satz 2 der Strafprozessordnung erlaubt bundesweit die jederzeitige, anlaßunabhängige Durchsuchung von Prostitutionsstätten ohne richterlichen Beschluß. Zusätzlich enthalten 11 von 16 Landespolizeigesetzen prostitutionsspezifische Paragraphen, z.B. zur Identitätsfeststellung von Personen, die sich in Prostitutionsstätten aufhalten. Die Polizeirechte im Bereich der Prostitutionsüberwachung überragen schon jetzt die polizeilichen Möglichkeiten zur Kontrolle von bspw. Imbisbuden bei weitem! Polizei-Razzien gehören für Menschen, die in Prostitutionsstätten tätig sind, zum Arbeitsalltag. Hätte ich vor, kriminellen Machenschaften nachzugehen, würde ich dies bestimmt nicht an einem Ort tun, der eine derartig hohe Polizeipräsenz zu verzeichnen hat wie ausgerechnet ein Bordell.

Menschenhandel durch eine stärkere Reglementierung der legalen Prostitution bekämpfen zu wollen, ist Augenwischerei. Ausbeutung existiert in allen Branchen, in denen Menschen Geld verdienen, beim Reinigungsservice, auf der Baustelle, beim Schnellrestaurant, beim Onlineversand oder in der Textilfabrik. Sie muß in allen Bereichen bekämpft werden – und zwar nicht nur mit den Mitteln der Strafverfolgung, wie es in der geplanten Gesetzesänderung zu den §§ 232-233a StGB wieder geschieht, sondern endlich auch mit Mitteln des Opferschutzes. Aufenthaltsrechte und Arbeitserlaubnisse für Menschen aus dem Ausland wären hier zu diskutieren. An diesem Punkt hinkt Deutschland, wie Experten betonen, im internationalen Vergleich hinterher, nicht etwa bei der Strafverfolgung. Opfer von Menschenhandel werden in Deutschland wie TäterInnen behandelt, das ist das Problem!

Dabei ist es vor allem die Zusicherung von Rechten, die die schwache Position von Menschen in ausbeuterischen Verhältnissen stärkt, seien sie Ausländer oder deutsche Staatsbürger. Legalität ermöglicht es diesen Menschen, sich von Fremdbestimmungen jeglicher Art zu befreien und Menschen-, Berufs- und Selbstbestimmungsrechte wahrzunehmen. Insofern ist der Vorschlag in BT-Drs. 17/13706, den Betrieb von Prostitutionsstätten bundesweit einheitlich unter gewerberechtliche Regulierung stellen zu wollen, von der Idee her kein schlechter Ansatz. Es hat sich jedoch bereits beim 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz (ProstG) gezeigt, dass die Bundesländer es so unterschiedlich umsetzen, dass daraus Rechtsunsicherheit für uns SexarbeiterInnen erwächst. Man schaue sich allein die Unterschiede der Sperrgebietsregelungen oder Besteuerungsmodelle für Sexarbeiter in den einzelnen Bundesländern an. In Bayern existiert zusätzlich eine gesonderte Hygiene-Verordnung. Was ich als Prostituierte hier tun darf, kann dort schon verboten sein. Wer blickt da noch durch?

Die zuständige Behörde kann im Fall der Nummer 7 den Gewerbebetrieb von bestimmten Auflagen abhängig machen, soweit dies zum Schutz der Allgemeinheit, der Kunden, der Prostituierten oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist. [Quelle: BT-Drs. 17/13706]

Die Crux an der geplanten Änderung ist nicht so sehr die Aufnahme von Prostitutionsstätten in den Katalog der überwachungsbedürftigen Gewerbe nach §38(1) GewO. Immerhin wäre der Betrieb einer Prostitutionsstätte dann tatsächlich endlich ein nach Gewerbeordnung anerkanntes Gewerbe! Auch wenn die Erfordernis von Führungszeugnissen in einem Gewerbe, das noch immer partiell als „Zuhälterei“ illegalisiert ist, natürlich fragwürdig ist. Problematisch erscheint mir vor allem, dass die Betriebserlaubnis zukünftig von nicht näher definierten Auflagen abhängig gemacht werden können soll (s. Zitat oben). Gleichzeitig haben die Landesregierungen nach §38(3) GewO ohnehin das Recht, durch Rechtsverordnungen in den Betriebsablauf überwachungsbedürftiger Gewerbe einzugreifen. Es sind dabei keinerlei Maßnahmen zum Schutz vor behördlicher Willkür implementiert und dem Mißstand bundesweit uneinheitlicher Regelungen zur Prostitutionsausübung wird damit auch nicht akurat begegnet. Sofern dieser Zusatz Einzug in die Gewerbeordnung findet, kommt es also wiederum zu einer Sonderbestimmung, die allein für Prostitutionsstätten gilt und in diesem Rahmen sogar Berechtigungsgrundlagen für behördliche Willkür schafft, gegen die man zuvor vielleicht wenigstens hätte klagen können.

Die geplanten Änderungen zu den Menschenhandelsparagraphen kann ich nur schwer beurteilen. Dazu fehlt mir das nötige Expertenwissen. Was sich für mich unter prostitutionspolitischem Blickwinkel interessant liest, ist die Erweiterung des §233 StGB „Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft“ um den Zusatz „und anderweitiger Ausbeutung“. Dies könnte ein Schritt in Richtung Abschaffung des §232 StGB „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ sein, der eigentlich überflüssig ist: Werden Menschen gegen ihren Willen zu Sex gezwungen, egal ob in der Prostitution oder sonstwo, sind sie Opfer von sexueller Nötigung/Vergewaltigung, die nach §177 StGB verboten ist. Arbeiten sie zwar freiwillig in der Prostitution, jedoch unter sklavenähnlichen Bedingungen, wird ihre Arbeitskraft ausgebeutet, was eigentlich unter §233 StGB „Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft“ fällt. Der Paragraph §232 StGB „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ (umgangssprachlich „Zwangsprostitution“) ist eigentlich ein Hilfskonstrukt, mit dem verhindert wird, die Ausbeutung von Menschen in der Prostitution als das zu bezeichnen (und anzuerkennen), was sie tatsächlich ist – nämlich entweder Nötigung/Vergewaltigung (§177 StGB) oder Ausbeutung der Arbeitskraft (§233 StGB). Will man §232 StGB nicht ersatzlos streichen, so könnte man wenigstens den Straftatbestand der sexuellen Ausbeutung als „anderweitige Ausbeutung“ unter §233 StGB subsummieren. Einen solchen Weg könnte die geplante Änderung an §233 StGB ebnen.

Fazit: Der Entwurf des Bundestages liest sich weniger übel als bspw. die Forderungen des Bundesrats oder der Entwurf für ein Bremisches Prostitutionsstättengesetz. Dennoch leuchtet es mir nicht ein, warum die geplanten Änderungen an §38(1) GewO wiederum im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels diskutiert werden und warum man sie noch unbedingt vor der parlamentarischen Sommerpause, d.h. auch vor der im September anstehenden Bundestagswahl durchdrücken muß. Dafür gibt es keine triftigen Gründe. Der Zusatz zu Auflagen würde wiederum diskriminierendes Sonderrecht für Prostitutionsbetriebe implementieren. Bei weiterhin existierenden Strafrechtsparagraphen zur Prostitution (§§ 180a, 181a, 181b, 181c, 184e, 184f, 232 und 233a StGB) sowie §297 EGStGB zu Sperrgebieten, §§ 119-120 OwiG, § 55 AufenthG, § 104 StPO und den prostitutionsspezifischen Paragraphen in den Polizeigesetzen der Länder erschließt sich mir nicht, wie die zusätzliche Aufnahme von Prostitutionsstätten in den Katalog der überwachungswürdigen Gewerbe die Situation von Menschen in der Sexarbeit und/oder von Betroffenen von Menschenhandel konkret verbessern sollte.

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3 Kommentare zu “Bundestag berät Gesetzesänderungen”

  1. Lena
    10. Juni 2013 um 12:07

    Problematisch finde ich auch diesen Absatz des §38 GewO:

    (3) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung für die in Absatz 1 genannten Gewerbezweige bestimmen, in welcher Weise die Gewerbetreibenden ihre Bücher zu führen und dabei Daten über einzelne Geschäftsvorgänge, Geschäftspartner, Kunden und betroffene Dritte aufzuzeichnen haben.

    Das ist eine Möglichkeit, die Meldepflicht für (Bordell-, Club-, Laufhaus-) Prostituierte durch die Hintertür einzuführen, indem die Betreiber verpflichtet werden, deren Daten zu erfassen. Am Ende kommen sie noch auf die Idee, dass wir die Daten unserer Kunden erfassen müssen. Möglich wäre es zumindest. Klingt nicht gut.

    Generell befürworte ich eine Regelung im Gewerberecht, aber bitte als Ersatz für die jetzige strafrechtliche Regulierung, nicht zusätzlich dazu.

  2. carmen
    12. Juni 2013 um 23:56

    Ich hab freundlicherweise folgende, kleine Korrektur erhalten und leider noch nicht in den Haupttext einarbeiten können. Daher hier als Kommentar:

    Eine kleine Anmerkung habe ich jedoch:

    Du schreibst, dass die 2. Beratung des Gesetzentwurfes am 12. Juni stattfinde. Der Tagesordnung für die 245. Sitzung des Bundestages (http://www.bundestag.de/dokumente/tagesordnungen/245.html) ist das jedoch nicht entnehmen.

    Vielmehr scheint es der Rechtsausschuss zu sein, der in nicht-öffentlicher Sitzung darüber beraten wird (http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/tagesordnungen/a06_139to_Int.pdf, TOP 29).

    Dies ist jedoch genau genommen nicht die "2. Beratung" im Sinne der Geschäftsordnung des Bundestages (http://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/rechtsgrundlagen/go_btg/go08.html, §81).

  3. carmen
    28. Juni 2013 um 00:02

    Der Entwurf wurde vor wenigen Minuten in 2. und 3. Lesung angenommen. Die Reden wurden zu Protokoll gegeben. Damit sind dann jetzt Prostitutionsstätten (was auch immer das nun ist) ein überwachungswürdiges Gewerbe nach §38(1) GewO, dem unklare Auflagen gemacht und deren Geschäftsabläufe durch Verordnungen der Länder unterschiedlich geregelt werden können. :-(

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