Außer Spesen, nix gewesen!

Stellt euch vor, euer Chef kommt zu euch und fragt euch, ob ihr auf eine einwöchige Dienstreise fahren wollt. Ihr sollt dort rund um die Uhr arbeiten, 24 Stunden, 7 Tage die Woche. Er würde euch selbstverständlich den Flug, die Unterkunft und die Verpflegung bezahlen. Aber Gehalt bekommt ihr nicht in der Zeit. Sofern ihr nicht sowieso schon Frondienste für euren Dienstherren verrichtet, weil das Damoklesschwert der Kündigung über eurem Kopfe baumelt, würdet ihr ihm vermutlich (völlig zu Recht) einen Vogel zeigen.

In meiner Branche ist das etwas anders: Da sind solche Anfragen Gang und Gäbe. Wenn man sie als Hure ablehnt, dann muß man sich u.U. als „geldgeiles Miststück“ bezeichnen lassen. Mir ist das jedenfalls vor wenigen Tagen genau so passiert. Ich rege mich ja über soetwas schon kaum noch auf. Aber ich frage mich natürlich, wie kommt man als Anfragender überhaupt auf so eine irrsinnige Idee? Welche Vorstellungen gehen da mit einem spazieren? Und warum glaubt man sich im Recht, dann auch noch beleidigend werden zu dürfen?

Weil man ein Idiot ist, klar. Aber, nein, das ist mir als Antwort irgendwie zu einfach. Ich denke, das Problem liegt tiefer und hat etwas mit mangelndem Respekt für unsere Arbeit und uns als Menschen zu tun. Scheinbar gehen immer noch viele potentielle Kunden davon aus, dass Erotikbegleitung keine Arbeit ist (das wird aberkannt) und dass Huren generell kein eigenes Leben haben und ergo gar nicht wissen, was sie mit sich beginnen sollen, wenn sie mal ausnahmsweise niemandem gefügig sein können. Im Falle einer Reisebegleitung muß Prostitution folglich Freizeitgestaltung und die Prostituierte folglich froh sein, dass sie endlich mal jemand in den Urlaub mitnimmt. Aber hey…

Wenn ich mit einem Kunden unterwegs bin, dann kümmere ich mich um dessen leibliches Wohl, und zwar rund um die Uhr. Ich mache mich hübsch für ihn, widme ihm meine ganze Aufmerksamkeit und bin für ihn und seine Wünsche da. Ich bin zudem abhängig von ihm und seinen Urlaubsinteressen. Ich muß mich auf ihn einstellen, der u.U. ein völlig Fremder ist, und ich muß mich bemühen, Konflikte zu vermeiden. Ich kann mich nicht einfach zurücklehnen und die Seele baumeln lassen. Ich befinde mich auf einer Dienstreise und nicht, wie mein Kunde, im Urlaub.

Außerdem stapelt sich bei mir zuhause auf dem Schreibtisch meine eigentliche Arbeit (ich bin ja nur nebenberufliche Hostess), die ich nicht erledigen kann, solange ich weg bin. Dafür muß ich doppelt so hart arbeiten, wenn ich wieder zuhause bin, um das aufzuholen. Ich kann mir zeitlich ggf. keinen Urlaub mit meiner eigenen Familie mehr leisten, weil ich Arbeit aufzuholen habe. Und ich kann mir den Urlaub mit meiner eigenen Familie u.U. auch finanziell gar nicht leisten, weil ich ja für meine eine Woche Begleitarbeit nicht bezahlt wurde. Ich bin für eine Woche getrennt von meiner Familie, die ich natürlich vermisse, und von meinem eigentlichen, eigenen Leben, weil ich zu dessen Freude einen fremden Menschen in seinen Urlaub begleitet und mich darum gekümmert habe, dass er entspannt ist und eine schöne Zeit hat. Und dafür soll ich mich nicht bezahlen lassen?

Solche Anfragen und der damit einhergehende Unmut über Ablehnung sind in meiner Branche keine Seltenheit. In anderen Branchen würde die Gewerkschaft auf die Barrikaden gehen und gegen Ausbeutung und Sklaverei aufbegehren. Als Hure muß man sich hingegen noch beleidigen lassen. So gering wird die eigene Arbeit und wird man als Mensch geschätzt. Das ist ein Armutszeugnis für den Anfragenden und menschenverachtend. Und wer mal für eine Sekunde die Perspektive wechselt, dem wird das auch sofort einleuchten. Huren sind keine Sklavinnen und sie haben, genau wie jeder andere freie Mensch, keinen Grund, unbezahlten Dienst zu leisten. Soetwas zu verlangen, ist Ausbeutung. Kapiert das endlich!

(Solange Huren für ihre Dienste bezahlt werden, haben sie sogar das Geld, sich ihren Urlaub selbst zu finanzieren und dann selbst zu bestimmen, wo es hingeht, wann, wie lange und mit wem.)


 
 
 

3 Kommentare zu “Außer Spesen, nix gewesen!”

  1. Robert
    18. Oktober 2010 um 01:46

    Bitte was? Nein, sowas kann´s doch nicht geben. ist ja ähnlich wie in der Designbranche (nur das ihr vielleicht nicht hören müsst, dass das eh euer Hobby ist -.-).

    Flug, Speise und das war´s? Was soll das, denkt er ihr sitzt sonst unter ner Brücke.

    Da kriegt man ja mehr im Knast gratis. Widerliche, wusste nicht, dass es sowas gibt in der Branche.

  2. carmen
    18. Oktober 2010 um 11:17

    Prostitution wird nach wie vor nicht als Beruf betrachtet. Die Leute glauben, das sei keine Arbeit und müsse ergo auch nicht bezahlt werden. Kann ja sein, wenn man das als privates Arrangement betrachtet. Aber eine Dame mit diesem Wunsch anzuschreiben, die keinen Zweifel daran läßt, Dienstleisterin zu sein und ein Honorar zu erwarten, ist einfach eine ignorante Frechheit. Es mag ja sein, dass einige Dienstleisterinnen auf sowas sogar eingehen. Aber das zur Grundannahme und Voraussetzung zu machen, widerspricht dem Sinn der Sache Escort. Zumal eben, ja, ich nicht unter der Brücke wohne und nicht darauf warte, dass mir endlich mal jemand was zu essen gibt.

  3. Mittelfranke
    7. Januar 2011 um 21:18

    Typisch! Alles haben wollen und dann handeln. Kennen wir aus guter Erfahrung. Meist sind es genau die, die von sich aus aber schon gar nichts umsonst machen. Da wissen diejenigen, was ihr Handgriff wert ist.
    Wenn Prostitution kein Beruf ist, was sind dann bitte Banker? Versicherungsvertreter? Anwälte? Und die ganze Schar der „Unternehmensberater“? Was verkaufen die? Eine ernsthafte Leitung? Die verkaufen für Provision ihren Kunden und die eigene Seele.
    Mein höchster Respekt gilt den Sexarbeiterinnen. Sie wissen, wie sie angeschaut werden. Wenn sich der „anständige“ Ehemann herablassend über sie auslässt (und in Gedanken hofft, er hätte eine Frau, die den Stolz und die Würde einer Sexarbeiterin hat und nicht ein verklemmtes Hausmütterchen)

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