3. Berliner Pornfilmfestival
Ich hatte ja bereits geschrieben, dass ich durchaus zu den Frauen gehöre, die sich ab und an den einen oder anderen Porno angucken. Zu mainstreamig darf es für meinen Geschmack nicht sein, weil dann bei mir keine Stimmung aufkommt. Aber was gibt es Abseits von „Debbie macht es in Florida“ oder „Dicke Schwänze 95“ denn für sehenswerten Porn?
Wo könnte man das besser herausfinden, als auf einem alternativen Pornofilmfestival in der eigenen Stadt? Hier wird man mit dem unterschiedlichsten Material konfrontiert und präsentiert sich der unglaubliche Facettenreichtum der filmischen Pornographie. Dabei sind gar nicht alle Filme pornographisch. Gestern sah ich z.B. „Bacchanale“ (Amero, 1970/2006), einen surrealen Erotikfilm aus den 70ern, dessen Bild- und Klangkomposition sehr an den Einfluß erinnerte, den Lysergsäurediethylamid auf das Gehirn hat. Sexuell erregend fand ich daran nur die eine Stelle, in der sich ein männlicher Sklave lustvoll zu einem anderen, eingekerkerten legt, als beider Herrin sich über die weibliche Gefangene hermacht. In welchem Mainstream-Porno bekommt man denn heutzutage noch Schwule-Szenen zu sehen?
Vorgestern spielte „Forced Entry“ (Costello, 1973), ein Film, in dem ein Vietnam-Veteran in misogyner Stimmung Frauen vergewaltigte und immer wieder brutale Szenen von Morden und Vergewaltigungen eingeschnitten waren. Bei solch einem Film kommt alles andere als Lust am Geschlechtsakt auf. Dass man auch sehr witzig mit dem Thema Erotik umgehen kann, zeigte dagegen der schwule Kurzfilm „The Window“ (Gosselin & Regina, 2008), der gar nicht so schwul war. Drei junge Männer entdeckten dabei ihre exibitionistische Veranlagung und lassen dabei am Ende alle Hemmungen fallen.
Aber es gibt natürlich auch auf einem alternativen Pornfilmfestival etliche Enttäuschungen. Ganz besonders enttäuscht war ich von „The Doll Underground“ (McKai, 2008), in den ich hohe Erwartungen gesteckt hatte. Der Film war auch eigentlich brilliant in der Bildkomposition und hat mir richtig gut gefallen, bis auf die Sexszenen. Denn die waren einfach unstimmig konventionell. Auch wenn die Damen schwarz anstatt blond gefärbte Haare, echte Brüste und Piercings hatten, folgten sie doch den altbackenden Konzepten, schrien „Aha“, und „Oh, shit, yeah, fuck, me, oh yeah, oh God!“, guckten stets gelangweilt in die Kamera und am Ende wurde in den Mund abgespritzt. Mit der eigentlichen Message, dass da Mädchen aus konventionellen Gesellschaftsmustern auszubrechen versuchen, hatte das leider gar nichts zu tun.
Heute Abend freue ich mich schon auf „Post Apocalyptic Cowgirls“ (Beatty, 2008), einen lesbischen Erotikfilm, und die anschließende Fisting Perfomance auf der After Party. Nachdem ich ja nun gestern schon im Fisting-Workshop for Girls anwesend war, bin ich darauf bestens vorbereitet.
„Fisting? Was ist denn das nun wieder? Kannst du das auch auf Deutsch sagen?“, schimpft mein Vater. Ja, Papa, Fäusteln, Papa. Da verwöhnt man sich mit den Fäusten. :)
2. Dezember 2008 um 05:48
Das gleiche Problem wie «The Doll Underground» war übrigens bereits schon bei McKais «Neu Wave Hookers» zu beobachten, ebenso wie bei dem Gros der anderen mir bekannten «Indie/Alternative»-Pornos. Das Strickmuster ist jeweils ähnlich: man verabreiche dem Porn-as-is mit seiner hochartifiziellen Struktur und Ästhetik eine Portion gutkalkulierte Oberflächenkosmetik in Form von subkulturellem, «authentischem» Setting, Darstellern, Soundtrack, Bildästhetik etc. Fertig ist der Etikettenschwindel. An der Struktur, der künstlerischen Haltung, den Rezeptionsmustern und nicht zuletzt am Geschäftsmodell ändert sich m. E. damit allerdings nicht eben viel. Siehe beispielsweise auch Florian Cramers Essay in Texte zur Kunst (#64, 12/2006, [http://backissues.textezurkunst.de/NR64/SODOM-BLOGGING-d_2.html]) Der Witz an der Sache ist letztlich, dass das vermeintlich «Authentische» (den Begriff kann man eigentlich eh nicht ernsthaft verwenden), Subkulturelle bei diesem Typus Produktionen _mindestens_ genauso artifiziell ist, wie das offensichtlich Künstliche. Kultur- bzw. medientheoretisch könnte das insofern in dieser Doppelbödigkeit nicht ganz uninteressant sein. (Notabene, ich bin darüber eh mehr amüsiert als entrüstet.) Nur: die Dinger verfehlen nicht nur bei Dir leider ihren eigentlichen Daseinszweck – weder zwischen den Ohren noch zwischen den Beinen stellt sich auch nur annähernd Enthusiasmus ein. Unter’m Strich bleibt damit zumindest im Heterobereich alles weitestgehend wie gehabt (aus der queeren Ecke kommen schon quasi traditionell ja oft die etwas interessanteren Sachen). Die Kombination aus ästhetischer Anregung und sinnlicher Erregung mittels Film (Sprache oder z. B. auch Zeichnung oder selbst Fotografie sind in der Hinsicht m. E. weniger gehandicapt) ist allerdings auch keine einfache Sache: wenn die Bilder vor den Augen der viel mächtigeren Bilderzeugung _hinter_ den Augen den Freiraum zur Entfaltung nehmen. Andernfalls stellte sich allerdings die Frage, ob es sich dann überhaupt noch um Pornografie handeln würde. Möglicherweise _kann_ «die» Pornografie das ihr innewohnende Versprechen auf umfassende Erregung insofern grundsätzlich überhaupt nicht halten. Sprich: sie lebt letztlich auch von der Unerfüllbarkeit des Verlangens. Das wiederum käme mir aber nur allzu menschlich vor. :-)
2. Dezember 2008 um 15:37
Ja, das Wort authentisch finde ich genrell nicht besonders geeignet, um über menschliche Machwerke zu sprechen. Im Falle von „The doll underground“ ist es absolut fehl am Platze, denn auch die Nichtsexszenen sind hochartifiziell. Ich finde Artifizialität auch überhaupt nicht problematisch, da sie sowieso Charakteristikum von Kunst ist, finde ich es sinnlos überhaupt zu versuchen, sie zu verstecken.
Davon abgesehen denke ich aber auch nicht, dass Pornographie ein ihr innewohnendes Versprechen auf umfassende Erregung hat. Die Menschen sind ja, besonders was ihre Stimulation betrifft, total verschieden. Mit einer Technik/Variante/Idee alle gleichermaßen zu stimulieren, funktioniert sowieso nicht. Wiederum denke ich nicht, dass es sinnvoll ist, das zu versuchen. Pornographie kann an dem Punkt wirklich interessant werden, wo sie ihre Klischees durchbricht, auf welche Art auch immer. Und wenn das großindustriell nicht machbar ist, weil da irgendwelche Marketingheinies Bedenken haben, dann kann man ja mal probieren, sich davon unabhängig zu machen.
Ich habe mich auch unabhängig gemacht und biete hier igendwie etwas Individuelles an. Mein Auskommen damit ist nicht überborden, aber Hunger leide auch keinen. Immerhin bleibe ich mir treu und versuche nicht, eine Erwartung zu erfüllen, von der ich annehme, dass sie eventuell irgendwer haben könnte.